Krise und Krieg hängen im Kapitalismus eng zusammen. Und das schon, bevor tatsächlich ein größerer Krieg zur Erneuerung der kapitalistischen „Ordnung“, für den weltweiten Zugriff auf Ressourcen, zur Sicherung oder Neuordnung von Einfluss- und Absatzgebieten u.ä. vom Zaun gebrochen wird. Kleinere Kriege werden ja schon lange auch wieder mit deutscher Beteiligung geführt, und nicht zuletzt die deutsche Kriegsmarine ist auf allen Weltmeeren unterwegs, um die Freiheit von Handel und Kapitalverwertung zu sichern, während gleichzeitig deutsche „Sicherheitskräfte“ daran beteiligt sind, das Mittelmeer zu einem Massengrab für Armutsflüchtlinge zu machen.
In der Stadt Kiel, die einst erst mit der Ernennung zum Reichskriegshafen im damaligen Deutschen Reich größere Bedeutung erlangte, wurden schon immer auch Kriegsschiffe gebaut. U-Boote mit modernster technischer Ausrüstung sind seit Jahren ein Schwerpunkt der Produktion auf der HDW, unabhängig davon, wer gerade Mehrheitseigner der Werft war. Heute ist dies der ThyssenKrupp-Konzern (hier als TKMS – ThyssenKrupp Marine Systems). Und in der gegenwärtigen Krise steht wieder einmal der Handelsschiffbau in Kiel- Gaarden zur Disposition. Gleichzeitig denkt die Bundeswehr daran, eventuell stärker mit Aufträgen bei der insolventen Lindenau-Werft einzusteigen.
Die HDW gliedert sich seit dem 1. Oktober 2005 in zwei
Gesellschaften: Die Howaldtswerke-Deutsche Werft GmbH, die – so der Konzernjargon
– als „Business Unit“ der ThyssenKrupp Marine Systems die „Submarine Division“
lenken, und die HDW-Gaarden GmbH, die Handelsschiffe (v. a. ausgewählte
Containerschiffe und Yachten) fertigt. Hauptsitz der TKMS ist Hamburg.
Daneben gibt es weitere Stand-
orte in Emden, Rendsburg, Karlskrona und Malmö (Schweden)
sowie (noch) in Skaramanga (Griechen-
land).
Seit Anfang des Jahres wächst die Befürchtung,
dass TKMS den Handelsschiffbau in Kiel einstellen will. Die Belegschaft
rüstet zum Protest. Nicht zum ersten Mal: Bereits vor fünf Jahren
war dies Thema und führte zu einer großen Demonstration in Kiel.
Die LinX berichtete damals über eine Ansprache des HDW-
Betriebsrats Uli Stangen. Er erinnerte: „Nach dem 2.
Weltkrieg haben die Betriebsräte der Germania-Werft geschworen, dass
dort nie wieder U-Boote gebaut werden.“ Die Germania-Werft wurde platt
gemacht. In den 60er Jahren fingen die Howaldt-Werke mit dem U-Boot-Bau
wieder an. Das nannte sich zunächst verschämt "Sonderschiffbau".
"Jetzt soll HDW eine reine Rüstungswerft werden“, fuhr Uli Stangen
2004 fort. Das hieße, die Geschichte der Stadt zu vergessen. „Die
RAF (Royal Air Force) hat nicht umsonst die Stadt zu über 70 Prozent
zerstört ..." Und: "Wir müssen aus der Geschichte lernen, um
Perspektiven für einen Handelsschiffbau in Kiel zu entwickeln. Dafür
werden wir uns mit dem großen Kapital anlegen müssen." (LinX
20/2004)
Auf einer Betriebsversammlung am 16. Februar bestätigte ein Vorstandsmitglied der TKMS gegenüber der Belegschaft die Befürchtung, dass eventuell vier Yachtaufträge (Mit einem Volumen von je 60 Millionen Euro) storniert werden könnten. Am 20. 2. wurde dies vom Vorstandsvorsitzenden dementiert: „Es gibt zur Zeit keine Stornierungen bestehender Aufträge.“ Inzwischen wurde aber deutlich, dass nicht allein die vier bestehenden Aufträge, sondern darüber hinaus zwei bereits „angearbeitete“ Containerschiffe storniert worden sind.
Dazu der Bericht eines Kollegen von der Werft:
„Am 2.4.09 haben die Beschäftigten der HDW-Gaarden
Dr. Aly (Mitglied des TKMS-Vorstandes) in einer spontanen Versammlung zur
Rede gestellt. Er hat angedeutet, dass wohl auch die letzten verbliebenen
zwei Yachtaufträge storniert werden. Deshalb kommt es ab April zu
Kurzarbeit, die im Laufe des Jahres an-
steigend alle 480 Beschäftigten der HDW-Gaarden
betreffen wird. Aber auch Beschäftigte des U-Boot-
Baus (Ausrüstungsgewerke) sind von Kurzarbeit betroffen,
da sie ihre geringe Auslastung nicht wie geplant durch Arbeit im Überwasserschiffbau
ausgleichen können. Am 6. April sind die Beschäftigten der HDW-Gaarden
mit acht Bussen (ca. 400 Leute) nach Duisburg gefahren, um gegen den Wortbruch
des Thyssen-Krupp-Vorstandes (ein Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen
war zunächst zugesagt, dann aber widerrufen worden) gemeinsam mit
den TK-Stahlarbeitern zu protestieren.
Die Forderungen der HDWler waren klar: Erhalt des Handelsschiffbaus. Die Arbeit hat dem Tag auf der HDW-Gaarden geruht. Wegen eines Staus auf der Autobahn konnten wir Duisburg leider nicht rechtzeitig erreichen und mussten beidrehen. Der Protest wird jedoch solange weitergehen, bis eine Perspektive für den zivilen Überwasserschiffbau erstritten ist. Wir haben bewusst auf der Betriebsversammlung am 16.2.09 an die Demonstration vom September 04 (Germaniahafen) angeknüpft (das Video über die Demo wurde eingespielt), mit der wir den Erhalt des Überwasserschiffbaus erstritten haben. Zur Zeit läuft die Mobilisierung für den 1. Mai und für die DGB-Demonstration am 16. Mai in Berlin.“
„Thyssen-Krupp will mit seiner Tochter Marine Systems
(TKMS) den Fokus auf militärische Einheiten und Spezialschiffe lenken.“
Das meldete das „Handelsblatt“ am 12. März. Dort heißt es zwar
auch: „Wachs-
tumschancen sieht der Konzern etwa in der Errichtung
von Windkraftanlagen auf dem Meer, für die auf Schiffe montierte Kräne
benötigt werden.“ Aber die sollen wohl nicht in Kiel gefertigt werden.
Es dürfe "keine Monostruktur in Hamburg, Kiel und Emden geben", fordern
nun Gewerkschaftsvertreter und erinnern an eine im Jahr 2005 geschlossene
Vereinbarung, die den Stapellauf von zivilen und militärischen Schiffen
an allen drei Standorten vorsieht.
In ihrem Kampf um den Erhalt von Arbeitsplätzen auf
den Werften und gegen den Versuch, Kiel auf dem Gebiet der maritimen Produktion
ganz oder doch weitestgehend zum Rüstungsstandort verkommen zu lassen,
brauchen die Kolleginnen und Kollegen auf der HDW und auch bei Lindenau
breite Unterstützung. Was die Gefahr einer „Monokultur“ angeht, wäre
dagegen allerdings nichts einzuwenden, wenn diese sich durch den Verzicht
auf Kriegsproduktion und deren Ersetzung durch sinnvolle zivile Arbeit
– Windkraft-
anlagen gehören unbedingt dazu – einstellen würde…
Die wirtschaftlichen und politischen Vorzeichen sehen
aber gegenwärtig anders aus. Dennoch ist es dringende Aufgabe gerade
für GewerkschafterInnen, den unmittelbaren Kampf gegen die Vernichtung
von Arbeiter-Existenzen mit der Perspektive eines anderen Wirtschaftens,
einer anderen Gesellschaft zu verbinden, in der nicht mehr die Profitlogik
des Kapitals über Wahl und Wehe von Millionen entscheidet. Das Produktions-Wissen
der arbeitenden Menschen in unserem Land ist zweifelsfrei groß genug,
um ohne kapitalistische Manager auszukommen. Aber eine solche Gesellschaft
lässt sich nur erstreiten, wenn die arbeitenden Menschen grenzenüberschreitend
den Kampf für ihre, für eine menschenwürdige Zukunft zusammen
führen, sich gemeinsam „mit dem großen Kapital anlegen“. Arbeiten
wir daran. Auf dem europäischen Aktionstag am 16. Mai müssen
entsprechende Signale gegeben werden.